(Nr.23) Versetzt zu werden kann auch herrlich sein!

Wer kennt das nicht? Da faltet man seit Stunden Serviettenkraniche, poliert
das Familiensilber, schichtet Zierkissen, während in der Röhre der
Muschelauflauf gelinde brodelt.

Das Licht ist korrekt gedimmt, die Kuschelrock-CD Vol. 14 dudelt, die essbare
Unterwäsche liegt bereit; und es… dudelt das Telefon. Und schon weiß
man genau, was geschehen wird. Die Person am anderen Ende der Leitung hat ganz
plötzlich ein defektes Automobil, eine unaufschiebbare Sitzung oder eine
andere schwere Krankheit. Und natürlich bleibt man freundlich, stottert
vielleicht das eine oder andere „Ist schon okay.“ Oder „Macht
ja nichts, ich bin sowieso müde.“ Was natürlich nichts anderes
als eine Lüge von der Größe der jüngst verschwundenen New
Yorker Zwillingstürme ist, aber wer will sich schon vor dem Heini am anderen
Ende entblöden. Der Hörer klackt und zurück bleibt eine Riesenportion
Muscheln und eine Art Ground Zero im Herzen.

Jetzt könnte man die Wohnung verwüsten, endlich den nervenden Nachbarn
erschlagen oder zu einer alten Yes-CD wimmern. Sich besaufen, zukiffen oder
Heroin nehmen. Nichts dergleichen kann natürlich von uns empfohlen werden,
obwohl wir das eine oder andere in der eben genannten Aufzählung natürlich
auch schon mal getan haben. Guten Gewissens empfehlen wir RACHE, und zwar SOFORT.
Werft Euch in das beste Kostümchen, balsamiert Euch, taucht Euch in Parfüm,
packt die goldene Mastercard, zwei Dutzend Kondome und die essbare Unterwäsche
ein, und verlasst sofort das Haus. Vorher natürlich den Herd ausstellen.
Und nun sucht genau jenen Ort in Erfurt und Umgebung auf, an dem sich genau
jene interessanten, reichen und hochattraktiven Männer aufhalten, die auch
gerade versetzt wurden und jetzt freilich beben vor erotischer Neugier. Ein
abenteuerlicher Abend voller Fieber und Gefahr steht uns also bevor.

Aber ihr seid natürlich aufmerksam und habt längst gemerkt, dass
ein solcher Ort weder in der Puffbohnenmetropole noch in Weimar oder gar Gotha
existiert. Und hier haben wir die Nachteile der vielbehaupteten Toleranz. Homosexualität
wird ja im Moment fast verordnet, will man glauben. Und schon gibt es keine
verschwiemelten und geheimen Freiflächen mehr, auf dem sich das Marktfleisch
tummelt, mit dem man sich natürlich nur ganz normal unterhalten will, vielleicht
noch tanzen, mehr nicht! Überhaupt trifft man nie jemanden, wenn einem
danach ist.

Aber auch hier warten wir auf mit einer Empfehlung, deren Wirksamkeit wir beweisen
können. Die Lösung ist ganz einfach: Fahrt einfach in die Reichshauptstadt
Berlin. Zum Beispiel zur Berlinale. Denn dort trifft sich das Thüringer
Freudenvolk und schwuchtelt und turtelt, dass eine Freude ist. Einen oder fünf
feine Filme sehen und dann ab in die dunklen fahrigen Einrichtungen, in denen
sich eh nie Berliner befinden.

In eine griffige Binsenweisheit gepackt, heißt also der Haushaltstip
der Woche: „Verschwinde von zu Haus, wenn Du Heimweh hast.“

Marcello Libelle

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