Wir bleiben alle!

wir-bleiben_kleinDer Christopher Street Day 2009 in Erfurt.
Historischer Anlass sind die 5 Tage währenden Aufstände gegen staatliche Repression in der Christopher Street in New York vor nunmehr 40 Jahren, als sich Menschen, die bis dahin verschiedene Arten von Diskriminierungen erfahren mussten, erfolgreich gegen eine legitimierte Kriminalisierung wehrten. Diese Tage markieren den Beginn einer Emanzipationsbewegung, die sich zum Ziel setzte, die Verfolgung, Stigmatisierung und Benachteiligung von Menschen abzuschaffen. Von Menschen, die sich nicht in irgendeine Heteronorm pressen lassen wollen. Die sich selbst als Gegenbild zu dieser Norm als homo-, bi-, inter- oder transsexuell bezeichnen. Und wie selbstverständlich auch das ganze System in Frage stellten, das die Verfolgung, Stigmatisierung und Benachteiligung von Menschen erst reproduziert.
Emanzipationspolitik ist 40 Jahre später in den Staaten des „Westens“ weitgehend durch eine Identitätspolitik ersetzt, die für jede sogenannte Minderheit versucht, Rechte zu erstreiten – und damit unbewusst bestehende Normen zementiert. An den Zuständen hat sich aber bei genauer Betrachtung hingegen nur wenig verbessert. Und es ist zu befürchten, dass die sich angesichts der größten Krise des Systems eher verschlimmern. Mehr Ausgrenzung und Diskriminierung, Überwachung und Regulierungszwang, Sondergesetzgebung, Notstandsverwaltung, um nur einige Stichwörter zu nennen.
Gerade deshalb sind die Ansätze von vor 40 Jahren aktueller denn je: Die Solidarisierung mit all jenen, die von diesem System gleichermaßen herausgefordert sind. Mit den sozialpolitischen Bewegungen innerhalb des Bündnisses zum „Tag der Einheit der Menschen“. Mit den Menschen, die Projekte und Lebenskonzepte jenseits der kapitalistischen Verwertungslogik entwerfen und sich die Freiheit nehmen, leer stehende Häuser zu besetzen und in sozio-kulturelle Freiräume zu verwandeln. Mit jenen Menschen, die nicht das Ziel haben, sich in bestehende Normen zu integrieren, sondern diese in Frage stellen. Denn eine Emanzipation von den Zumutungen der Hetero-Normativität ist ohne die Kritik dieser Norm selbst nicht zu haben.
Kein Antidiskriminierungsgesetz beseitigt das Denken in den gewohnten Strukturen. So wie ein Verbot der NPD nicht die Gefahr des Rechtsextremismus beseitigen würde.
Ich will keine Politik, die lediglich die Interessen zersplitterter konstruierter Identitäten vertritt. Ich will keine Homoehe. Ich will eine umfassende Emanzipationspolitik für Menschen!
Oder nennen wir es eine queere Politik, das Wort queer wird ja so oft benutzt heute. Oft unbewusst und nicht ahnend, damit genau richtig zu liegen.
Denn Queer Politics beinhaltet (zumindest der Theorie) gerade die Dekonstruktion von Identitäten wie z.B. Homosexuell oder Heterosexuell.
Und queer sein, anders, eigenartig, suspekt, ein Querkopf sein, wie es wörtlich übersetzt heißt, das könnten wir ja alle. Verhältnisse nicht einfach hinnehmen, sondern sie verändern.
Ich bin da nicht allein. Und nicht bereit, mich in irgendeiner Nische zu verstecken oder von hier weg zu gehen, irgendwo anders hin auf der Suche nach etwas mehr Freiraum, nach nicht so spürbarer Repression.
Ich habe mich schon vor 20 Jahren entschieden. Ich bleibe hier. Mit mir muss gerechnet werden. Und die, die ähnlich denken wie ich, formulieren das ganz deutlich in diesem schlichten Satz, der unser Motto zum diesjährigen CSD ist: Wir bleiben Alle!

Jörg

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