(Nr.29) Geburtstag feiern, aber warum?

Wie könnte man nur einer Angelegenheit ausweichen, die mit gnadenloser Regelmäßigkeit das Härteste von uns abverlangt?
Wir reden hier nicht von so lapidaren Dingen wie Broterwerb, Mietzahlung, Format-Radio oder „GZSZ“, auch wenn gerade diese apokalyptischen Reiter mit dem dunklen Mittel der zeitlichen Wiederkehr versuchen, uns den letzten Saft der Hoffnung aus den Adern zu saugen.
Nein. Die Rede soll sein von den selbstverwalteten Ritualen der Zeit. Gegenstand des heutigen Haushalts- und Lebenstips ist: Der Geburtstag. Das Wiegenfest. Die Ego-Party des Jahres.

Nun kann man sich zuallererst fragen, ob überhaupt jener winzige und potthäßliche Embryo, der nichts anderes getan hat, als sich (aufgrund undurchsichtiger Chemie-Prozesse) aus der feuchten Nahrungs-Blase einer erwachsenen weiblichen Person zu switchen, das Recht hat, Geburtstag zu feiern. Und das auch noch JEDES Jahr. Ganz unabhängig davon, wie alt & weise der Mutterkuchen-Gnom mittlerweile geworden ist.

Die wesentlichste und die schmerzhafteste Arbeit am Ganzen hat ja wohl am Vorgang der Geburt die Mama gehabt.

Im schönen Land Ungarn bekommt an den Geburtstagen der wichtigtuerischen Kinder die Mama den Tisch gedeckt, es singen preisend die Kinder und präsentieren tausend Geschenke. Alles für die Mama. Die Anzahl der Kinder erhöht die Anzahl der Geschenke. Niemand würde dort ertragen, wenn sich das in unseren Breitengraden sogenannte „Geburtstagskind“ in den Vordergrund schmuggelt.

Leider leben wir nicht in Ungarn und müssen uns so alljährlich die irrwitzigsten und abenteuerlichsten Feierlichkeiten ausdenken. Und das alles, um einen Tag zu feiern, an den wir uns meist nicht mal erinnern können.

Da werden Ballonfahrten und Bungee-Sprünge organisiert. Traditionseisenbahnen werden gemietet und Fernseh-Ballette geordert. Da muß die Wohnung komplett umgestylt werden und wenigstens Trüffel, halbtote Krebse und Sushi müssen serviert werden. Man braucht mindestens zwei unverschämt junge und gut gebaute Animatoren, um eine halbwegs normale Birthday-Party in der provinziellen Landeshauptstadt Erfurt hinzukriegen. Die Herren Animateure selbst müssen freilich mindestens 4 Sprachen beherrschen und ganz frisch aus Mauritius eingeflogen worden sein. Ein normaler Hobby-Stripper aus Schmiera täte es schon lange nicht mehr.

Aber was bekommt man von den Geburtstagsgästen dafür? Wird man vielleicht belohnt für das qualvolle Bedürfnis, einen Tag zu feiern, für den man reinweg garnichts getan hat? Und dessen Nummerierung man zur Wahrnehmung der männlichen Marktlage sowieso geschickt verschweigen muß? Wer will sich schon zum 36. Wiegenfest eine Zipp-Off-Cargo-Hose oder das tausendste achsosüße Plüschtier schenken lassen.

Überhaupt! Wie verhält es sich mit dem sogenannten Preis-Leistungs-Verhältnis? Man kocht sieben Tage die gesündesten Party-Salate, um schließlich doch nur eine Quartalskarte für eine dieser schmierigen Saunen in der Löbervorstadt zu bekommen. Sollte man wirklich alle Fenster blankwienern für ein Jahreslos der Aktion Mensch? Lohnt es sich, nach der achso verrückten Geburtstags-Party tagelang die Kippen aus unseren Bodenvasen oder diese fischigen Kondome aus unseren Sesselritzen zu angeln?

Im schlimmsten Fall bekommt man etwas Selbstgebasteltes, eine Foto-Collage aus den einschlägigen Männerheftchen vielleicht, eine Fadengrafik, eine Salzteig-Skulptur oder gar einen selbstgemalten Kalender.

Spätestens jetzt sollte man behaupten, ganz überraschend einen wichtigen Fenster-Brief vom Einwohnermeldeamt bekommen zu haben. Und in dem soll stehen, was man sich solange schon ersehnt hat:
„Wir müssen Ihnen nach Prüfung Ihrer Geburtsunterlagen mitteilen, daß Sie, entgegen Ihrer bisherigen Annahme, an einem 29. Februar geboren wurden. Wir bitten Sie deshalb, dem Schaltjahr entsprechend, nur noch aller vier Jahre Ihr Wiegenfest zu feiern. Zuwiderhandlungen werden mit geschmacklosen Blumenspenden aus unserer Kommunalbehörde bestraft.“

Manchmal, liebe Freunde kann eine Lüge herrliche Auswirkungen haben.

Aber bleibt ja ehrlich. Und feiert Eure Geburtstage, wie auch immer ihr wollt.

Marcello Libelle

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