(Nr.37) Wo bitte ist eigentlich die sogenannte Szene?

Jene Herren aus unserer unüberschaubaren Thüringer Schwesternvertretung, die auch intellektuell ein wenig hermachen wollen, schnattern gern und oft von der SZENE.
Meist wird gejammert. Entweder wird das geheimnisvolle Fehlen der SZENE beschrien oder der Abstand von derselben hochgehalten. „Das soll eine Szene sein???“ wird da von links gequietscht oder von rechts wird ein understatement-mäßiges „Ich war noch nie in der SZENE involviert“ geraunt. In beiden Fällen werden vom jeweiligen Sprecher jedoch sehr gern vor dem Wort „SZENE“ die Hände mit gelockerten Gelenken gehoben. Dann werden sehr schnell (und entsprechend geziert) Zeige- und Mittelfinger beider Hände zuckend nach unten und oben bewegt, um pantomimisch die sogenannten Anführungsstrichchen anzuzeigen. Das nennt man dann Ironie.

Historisch betrachtet, steht absolut außer Frage, daß jenes körpersprachliche Element in der Schwulen-SZENE entstanden sein muß. Und so ist es nur korrekt, das selbst ausgewiesene Hetero-Heinis wie Kerner, Beckstein oder Vogel in den Talk-Show-Tempeln mit den Fingern flattern, um jene Gänsefüßchen sichtbar in ihre wortreichen Ausführungen zur jugendlichen Auflockerung einzubasteln.
Herrlich ist die Erkenntnis, das beide Worte, also „SZENE“ und „ANFÜHRUNGSSTRICHCHEN“, selbst von sprachfreudigen Homos nur sehr schwer auszusprechen sind. Vielleicht kann zukünftig in der Erfurter SZENE-Einrichtung SWIB ein entsprechender Workshop organisiert werden.

Natürlich sind wir flatterhaften Wesen nun vom Thema abgekommen. Aber die große Frage schwebt immer noch im Raum: Wie das gigantische und scharfe Pendel aus der Erzählung des heterosexuellen und schwindsüchtigen Dichters Edgar Allen Poe: „Wo bitte ist eigentlich die sogenannte Szene?“.
Kaum ein Begriff umflattert uns so häufig und so beliebig. Schlagen wir in den einschlägigen Googles und Dudens unter „SZENE“ nach, finden wir eher halbherzige Hinweise:

Schauplatz, Bühne, Teil eines Aktes, sich zur Geltung bringen, Eindruck machen, Vorgang, Anblick, und so weiter steht dort geschrieben.

Was bitte soll uns das nutzen? Sind damit die unzähligen Saunen in der Löbervorstadt gemeint?
Die verrückten Tucken- und Lesbenkneipen, die lobenswerterweise derzeit wie leuchtende Pilze aus der sozialen Infrastruktur in Erfurt-Nord ans Licht drängen?

Ist die „SZENE“ eventuell gar nicht an bestimmten Orten festzuhalten? Ist sie eher ein waberndes, wild schlingerndes Gewebe, das sich, einem Libellenschwarm gleich, je nach Laune und Tageszeit, mal an dieser und mal an jener Blüte bedient?
Es ist verwirrend.
Da gibt es die Szene der Leder-Oberlippenbärte. Die Szene der freidenkenden Saunafreunde. Die Szene der christlich-orthodoxen Mopedfahrer. Die Szene der Anhänger von A-, B-, und C-Picture-Kinogänger. Es gibt die Szene der Gemütlichkeit. Die Szene der Barbie-Puppensammler.

Und die Szene um die Redaktion Chilligays. Letztere ist allerdings so klein und so speziell, so überschaubar und so glitzernd, daß sie, und das muß hier in aller Deutlichkeit festgestellt werden, als einzige die geheimnisvolle Medaille namens SZENE verdient.

Da mögen sich die SZENESCHWULEN fortan in jeder SZENEKNEIPE eine SZENE nach der anderen machen.

Meint jedenfalls

Euer

(in Gänsefüßchen) Hobby-Urning

Marcello Libelle

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